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bh
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Grundfrage
Einleitung
Kurzfassung
These 1
These 2
These 3
These 4
Zusammenfassung
Glossar
Literatur
Weisheiten
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These 1
Ein guter Mensch ist, wer nach den Geboten lebt
Es ist verführerisch zu sagen: Ein guter Mensch ist, wer ständig die 613 Gebote
einhält, die das jüdische Volk von Gott erhalten hat, angefangen bei den 10
Geboten (Exodus 20, 1-17) und aufgehört beim Rechtsschutz der Schwachen (Ex.22,
20-26), bei einzelnen Speisegeboten (Ex. 23, 19b) und einzelnen Geboten der
Gottesfurcht (Ex. 22, 27-30) oder der Heilung des täglichen Lebens (Lev. 19).
Das kann es jedoch nicht sein, genauso wenig, wie ein weltoffener Christ behaupten
würde: „Nur wer die 10 Gebote und die Bergpredigt ständig Buchstabe für Buchstabe
einhält ist ein guter Mensch. Diese Gebote muss ein guter Mensch unbedingt einhalten,
darüber hinaus ist es egal, was er tut.“
Selbst wenn man nur eine Rabbinengeschichte aus der jüdischen Tradition lesen
würde, wäre es schon klar, dass diese Erklärung hinkt:
Ein Proselyt kommt zu Rabbi Schammaj
und bitten ihn, ihm die ganze Tora zu lehren, solange er auf einem Bein steht.
Rabbi Schammaj ist über die Bitte des Nichtjuden entrüstet und jagt ihn fort:
„Wie soll man in so kurzer Zeit die ganze Tora lehren und lernen können?“
Mit der gleichen Bitte geht er nun zu Rabbi Hillel.
Dieser antwortet ihm: „Was dir unliebsam ist, das tu auch deinem Nächsten nicht.
Dies ist die ganze Tora; das andere ist Auslegung. Gehe hin und lerne das.“
(Judaica Schabbat 31a)
Gehen wir nun davon aus, dass ein guter Mensch sein Leben an seinem Glauben
ausrichtet, so hat er nicht 613 Gebote einzuhalten, sondern nach Hillel im Grunde
nur eines. Und das ist auch noch eines, das fälschlicherweise allzu gerne als
urtypisch christliches Gebot hingestellt wird: „Liebe deinen Nächsten, so wie
du auch dich lieben sollst.“ (Lev. 19,18b)
Dieses Gebot existiert so aber nicht; es ist nur das halbe Gebot. Erst durch
die Verbindung mit dem Gebot der Gottesliebe oder Ehrfurcht ist es vollständig:
„Ich bin dein GOTT.“ (Lev. 19,18c) Nicht umsonst fängt das Sch’ma Israel, eines
der wichtigsten jüdischen Gebete wie folgt an:
„Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein.
Und du sollst den HERRN, deinen Gott lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer
Seele und mit all deiner Kraft.
Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst
sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt
oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Und du sollst
sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen
deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses
und an die Tore.“ (Dtn 6,4-9)
So weit so gut. Um ein guter Mensch zu sein, muss man demnach mit allen Konsequenzen
den ganzen Tag und die ganze Nacht ein Dreiergebot einhalten: „Liebe GOTT, deinen
Nächsten und dich.“ Nur, wie sehen die Konsequenzen aus? Und wie kann man diese
drei Gebote konkret einhalten? Müssen dazu nicht doch wieder alle 613 Gebote
befolgt werden?
Vielleicht ja. Doch ist krank und noch lange nicht gut, wer nur danach trachtet,
alle Gebote aufs kleinlichste zu beachten. Zum einen lassen sie sich in sieben
Grundgebote einteilen, die bereits Noah als Urvater der gesamten Menschheit
erhielt. Das sind: das Gebot der Rechtspflege, das Verbot der Lästerung des
Gottesnamens, das Verbot von Götzendiensten, die Verbote von Unzucht, Blutvergießen
und Raub und das Speisegebot, allen voran das Verbot, blutiges Fleisch zu essen.
Blut ist im jüdischen Glauben der Sitz des Lebens. (Sanhedrin 56) Zum anderen
sind viele der 613 Gebote selbstverständlich und logisch. Sie werden automatisch
eingehalten, auch dann, wenn man sie gar nicht kennt. Zum dritten ist die Gefahr
sehr groß, eben genau durch äußere Einhaltung der Gebote innerlich die Gebote
zu übertreten und zu missachten. Max Eschelbacher zeigt dies am Beispiel des
Fastengebots (in Thieberger, 1997; S. 155):
Es ist aber die tiefe Fragwürdigkeit alles Irdischen, die
auch das Heilige bedroht, dass das Sinnbild an die Stelle des Wesens und das
Symbol an die Stelle der wahrhaften Verwirklichung tritt. Dann kann der Mensch
bei der strickten Erfüllung des Gebotes ungewandelt der bleiben, der er war,
und das Gebot wird eben durch seine Erfüllung vereitelt.
Und zum vierten geht schon die Tora davon aus, dass es der Mensch nicht schafft,
ständig alle Gebote einzuhalten.
Bernd Herwanger
(bh) April 2001, auf www.yetnet.ch/dergutemensch
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