Freiheit ist eine Konstruktion der Vernunft, das heisst sie hat keine physische Existenz. Aus diesem Grunde kann sie nicht erfahren werden. Trotzdem können wir das Bewusstsein der Freiheit erlangen. Dies ist möglich, wenn wir das moralische Gesetz erkennen.
Stelle dir folgende Situation vor:
Du hast eine unbändige Lust Honig zu essen. Du gibst sogar vor, dass sie
so stark sei, dass dich nichts in der Welt davon abhalten könne Honig zu
essen, wenn du ein Glas davon herumstehen siehst.
Fall 1:
In deinem Land herrscht eine Honigprohibition. Eines Tages wird vor deiner Tür
ein Galgen aufgestellt und dir ein Glas Honig präsentiert. Man gibt dir
zu verstehen, falls du jetzt deiner Lust nachgäbest, du nachher sofort
gehängt würdest.
Wirst du nicht für einmal auf den Honig verzichten, und diesmal deine Lust
kontrollieren? Deine Vernunft rät dir nun zweifellos
an, dein Leben höher zu bewerten und diesmal auf den Honig zu verzichten.
Du vergleichst also zwei Maximen miteinander,
die eine mit deinem Leben und die andere mit dem Honig als Objekt. Deinen Willen
von Maximen bestimmen zu lassen ist jedoch nicht Freiheit.
Fall 2:
Du wirst nun aber vor den gleichen Galgen gestellt und ein unschuldiger Mensch
wird dir vorgeführt. Jemand möchte von dir jetzt eine falsche Zeugenaussage
gegen diesen ehrlichen Menschen, sonst wirst du sofort an den Galgen gehängt.
Niemand würde es dir verübeln, wenn du dein Leben schützen möchtest.
Doch so stark dir auch dein Leben lieb ist, du weisst, dass du diese Lust am
Leben überwinden kannst. Du kannst also etwas tun, nur weil du weisst,
dass du es tun sollst. In diesem Falle rät dir
deine Vernunft nicht nur, sondern sie gebietet dir, auf eine gewisse Weise zu
verfahren. Du bist dir soeben des moralischen Gesetzes bewusst geworden und
somit deiner Freiheit.
Florian Fisch (ff) April 2001, auf www.yetnet.ch/dergutemensch